Die Amerikaner ramponierten jahrelang die Uran-Anreicherung des Irans. Die beste Cyber-Defense nutzte nichts, den die Amerikaner griffen genau dort an, wo jede Abwehr ihre Achillesferse hat; beim Faktor Mensch.
Uranium ist ein Element, welches, ähnlich wie Eisen, in Erz-Form aus dem Boden gewonnen wird. Bei der Gewinnung des Urans aus dem Erz entsteht Uranium-Oxid. Dieses Uranium-Oxid besteht zu 99 % aus dem chemischen Element U-238 und 1 % aus U-235. Für den Bau einer Bombe oder eines Kernkraftwerks braucht es reines U-235. Die Gewinnung des U-235 aus Uranium-Oxid nennt man Uran-Anreicherung. Die Uran-Anreicherung von U-235 ist eine heikle Angelegenheit. Das Uranium-Oxid wird mit einer extrem aggressiven Säure zu einer Gasmischung vermischt und in eine Zentrifuge eingegeben. Dreht die Zentrifuge mit 10 000 Umdrehungen pro Minute, löst sich das schwerere U-238 vom 235, da es mit der Schwerkraft an die Aussenwand der Zentrifuge gedrückt wird. In diesem Moment extrahiert man das Gas im Zentrum der Zentrifuge in eine neue Zentrifuge und startet den Prozess von Neuen.
Die 5000 Zentrifugen der iranischen Uran-Anreicherungsanlage in Natans summten geschäftig vor sich hin und das friedliche Atomprogramm der Islamischen Republik nahm ihren Lauf. Wenn weiterhin alles wie geplant lief, würde der Iran bald über angereichertes Uran verfügen, um entweder ein eigenes Atomkraftwerk oder eine eigene Atombombe herzustellen, je nachdem, wen man fragte. Doch ausserplanmässige Störungen verzögerten die Termineinhaltung des iranischen Atomprogramms massiv. Für den Betrieb eines Kernkraftwerks braucht es 20 % U-235, für eine Bombe sogar deren 90 %.
Die internationale Atombehörde stellte 2005 fest, dass der Iran den Atomwaffensperrvertrag verletzte. Darauf forderte die UNO Teheran auf, die Uran-Anreicherung in Natans umgehend einzustellen. Der damalige iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad lehnte dies ab. Der Iran stand weit oben auf der Liste des „Achse des Bösen“, sodass die USA etwas unternehmen musste. 2006 genehmigte George W. Bush einen Undercover Anschlag auf die Nukleareinrichtungen in Natans. Das ultrageheime Projekt trug den Codenamen Operation Olympische Spiele. Die Amerikaner und Israelis wussten, dass die Zentrifugen in Natans durch Industriesysteme von Siemens gesteuert wurden. Liefen die Zentrifugen langsamer als 10 000 Umdrehungen pro Minute, wurde das U-235 nicht ausgeschieden, liefen die Zentrifugen schneller, brannten die Motoren aus.
"Die Menschen vertrauten einfach, was der Bildschirm Ihnen zeigte"
Zusammen erstellten die Israelis und Amerikaner einen Computerwurm, der sich unbemerkt von Computer zu Computer vermehrte. In jedem Desktop überprüfte dieser Wurm, ob dieser Computer mit der entsprechenden Industrieanlage von Siemens bestückt war. Wenn der Wurm einen solchen Computer vorfand, wurde er im Hintergrund aktiv, sonst nicht. In der ersten Phase zeichnete der Wurm nur all seine Beobachtungen auf. In einer zweiten Phase übernahm der Wurm ganz langsam die Steuerung der Industrieanlage, als Puppenspieler im Hintergrund. Er manipulierte die Ventile und Motoren, sodass die Zentrifugen immer wieder nach oben und nach unten von der Richtdrehzahl abwichen. Die ganze Zeit über war dabei nominell alles in Ordnung, der Betrieb lief scheinbar ungestört. Jede einzelne der Zentrifugen wurde auf Fehlfunktionen überwacht und das Resultat auf die Bildschirme der Ingenieure übermittelt. Tag für Tag behielten die Mitarbeiter die Monitore im Auge, achteten pflichtgemäss auf die Lichter. Der Wurm war so programmiert, dass er zunächst nur unbemerkt und langsam die Schäden verursachte. Allmählich und unauffällig brannten die ersten Zentrifugen durch. Jeder Schaden hatte eine andere Ursache; hier war der Innendruck zu hoch, dort die Geschwindigkeit zu hoch. Das Uran, das die Anlage lieferte, war von schlechter Qualität. Über Monate und Jahre nahm die Gesamtzahl der eingekauften Zentrifugen im Iran zu, während die Qualität des produzierten Urans nicht besserte. Die ganze Zeit über, während der Wurm die Zentrifugen zu Klump fuhr, fing er die echten Werte der Sensoren ab, bevor diese die Bildschirme der Ingenieure erreichten. Stattdessen spielte er den Ingenieuren die in der ersten Phase aufgezeichneten Sequenzen der ordnungsgemäss arbeitenden Anlage vor. Ähnlich wie die Einbrecher im Film Oceans Eleven dem Wachpersonal vorher aufgenommene Bilder des Casinos auf die Bildschirme einspielten.
"Die totale Abschottung des Netzwerks war unwirksam"
Wie konnte das passieren? Die Iraner waren keineswegs ein leichtes Ziel. Die Computer dieses sensiblen Netzwerks waren vollkommen von der Aussenwelt abgeschottet. Der Angreifer benutzte den Faktor Mensch. Sie organisierten einen Ring von menschlichen Spionen, Softwareentwickler und Wartungsarbeiter, einige waren involviert, andere unwissende Helfershelfer. Die Geheimwaffe; ein USB-Stick. Wer ihn dort eingeschmuggelt und eingestöpselt hat, ist bis heute unbekannt.
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